Fahrermangel und kein Ende in Sicht: Laut dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) fehlen in Deutschland bereits jetzt 60.000 bis 80.000 Fahrer für Lastkraftwagen. In Zukunft wird diese Zahl noch weiter steigen, denn die LKW-Branche hat ein Nachwuchsproblem. In den kommenden Jahren werden viele Fahrer in Rente gehen und junge Leute interessieren sich heutzutage nicht mehr für den ehemaligen Traumberuf Trucker. Um Schlimmeres zu verhindern, müssen die Logistikunternehmen schnell reagieren, mit besseren Arbeitsbedingungen, einer umfassenden Versicherung und fairen Löhnen. Auch von staatlicher Seite ließen sich einige Stellschrauben drehen und Hürden abbauen, etwa was die Zugangsvoraussetzungen für den Beruf oder die Schwierigkeiten beim Einstellen ausländischer Fahrer angeht.
Drohen Versorgungsengpässe?
Der Fachkräftemangel in der LKW-Branche könnte Auswirkungen auf die Versorgung im ganzen Land haben. Ein Großteil der Güterbeförderung findet in Deutschland auf der Straße statt und es sieht nicht so aus, als würde sich dieser Trend in naher Zukunft umkehren. Online-Handel, kleinteiligere Warensendungen und eine generell stets wachsende Lust am Konsum sorgen für massig Zuwachs. Verschärft sich die Lage weiterhin, erreichen Waren immer öfter ihren Zielort verspätet oder sogar gar nicht. Schon jetzt müssen gelegentlich Lastkraftwagen stehenbleiben, wenn ein Fahrer kurzfristig ausfällt und nicht ersetzt werden kann. Gerade im Bereich des Schwerlasttransports, in dem Spezialkräfte gefragt sind, kann eine so eine Situation schnell eintreten, wenn geschultes Personal fehlt. Ausfallende Fahrten haben für das Logistikunternehmen schwerwiegende Konsequenzen, die jedoch durch eine gewerbliche Versicherung zum Teil aufgefangen werden können.
Schlechtes Image und viele Probleme
Noch vor einigen Jahrzehnten war der Beruf des LWK-Fahrers für viele Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ein echter Traumjob, der Freiheit und Abwechslung versprach. Was ist seitdem passiert? Durch den stetigen Anstieg des zu transportierenden Warenvolumens haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Eng getaktete Abläufe lassen wenig Zeit für Pausen und die stetig zunehmende Verkehrsdichte machen die Fahrt über die Autobahn zu einer anstrengenden Übung in Konzentration. Die nicht in ausreichendem Umfang vorhandenen Stellplätze an Autobahnraststätten tun ihr Übriges, um das Stresslevel zu erhöhen, zumal die Suche nach einem Parkplatz nicht zu lange dauernd darf, um gesetzliche Ruhezeiten nicht zu unterschreiten. Wer an den Raststätten leer ausgeht, sucht sich stattdessen einen Platz in einem Gewerbegebiet nahe der Autobahn – ohne Toilette und Waschmöglichkeit – oder hält gar auf dem Seitenstreifen und gefährdet sich und andere. Zu all dem kommt, dass sich der Beruf des LKW-Fahrers nur schwer mit einem Familienleben vereinbaren lässt. Familienstrukturen sind andere als noch vor einigen Jahrzehnten, kaum jemand möchte heute noch regelmäßig über Nacht oder mehrere Tage am Stück von Partner und Kindern getrennt sein. Zu den Faktoren Stress und Familie gesellt sich dann noch eine vergleichsweise niedrige Vergütung.
Belastung vor allem für Mittelständler
Der Fahrermangel trifft vor allem den Mittelstand hart, dem ein Großteil der deutschen Transportfirmen angehört. Für etwa 70 Prozent der Unternehmen sind maximal fünf Lastkraftwagen im Einsatz. Hier wird der Nachwuchsmangel schnell zur Bedrohung der Existenz, zumal die kleinen Unternehmen selbst mit der Konkurrenz im Wettbewerb stehen und meist nicht in der Lage sind, die Löhne zu erhöhen. Springer, die im Krankheitsfall Fahrten übernehmen können, sind selten bis gar nicht zu bekommen. Nimmt ein Fahrer Urlaub, ist er kaum zu ersetzen. Also werden Aufträge abgelehnt und die Fahrzeuge bleiben ungenutzt im Hof stehen, verursachen aber weiterhin laufende Kosten. Eine Spirale, die für mittelständische Logistikunternehmen schnell in den Ruin führen kann. Zumal die Konkurrenz aus dem Ausland mit unerreichbar niedrigen Transportpreisen daherkommt, nur möglich durch Dumpinglöhne, die den Fahrern gezahlt werden, und oft nicht der EU-Gesetzgebung entsprechen. Hier fehlen engmaschige Kontrollen, um die vorhandenen Regelungen durchzusetzen. Das würde nicht nur den Wettbewerbsdruck auf deutsche Mittelständler erleichtern, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die illegal beschäftigten Fahrer ausländischer Spediteure verbessern.
Was tun gegen den Fahrermangel?
Lange Zeit konnte sich die Logistikbranche mit Fahrern aus dem Ausland behelfen, doch auch das wird zunehmend schwerer. Nicht nur haben unsere Nachbarländer mittlerweile ihr eigenes Nachwuchsproblem und müssen die vorhandenen Fahrer für den landeseigenen Gütertransport einsetzen. EU-Bestimmungen machen es zudem schwer, mögliche Bewerber aus Nicht-EU-Staaten zu rekrutieren. Vor allem Führerscheine aus Ländern außerhalb der EU werden oft nicht anerkannt. Die Lösung für das derzeit dringlichste Problem der Branche muss also im eigenen Land gefunden werden. In diesem Kontext werden Projekte aus dem Bereich automatisiertes Fahren interessant, die ein Stück weit Unabhängigkeit von menschlichen Fahrern versprechen. Doch während das noch Zukunftsmusik ist, braucht es kurzfristige Lösungen, um die Grundversorgung in Deutschland nicht zu gefährden. Die LKW-Branche täte gut daran, die Ausbildung zu überarbeiten und für junge Manschen attraktiver zu machen. Auch an den Staat werden Forderungen laut. Ein Ausbau der vorhandenen und die Anlage ausreichender neuer LKW-Stellplätze ist unumgänglich und würde die Arbeitsbedingungen für die Fahrer massiv verbessern. Auf rechtlicher Seite braucht es eine Überarbeitung der Einstellungsvoraussetzungen und Gesetze, die es ausländischen Fahrern leichter machen, bei deutschen Logistikunternehmen zu arbeiten. Damit lässt sich dieses akute Problem in der Transportbranche noch rechtzeitig aufhalten.